Westfälische Friedensgespräche 2025 – Literatur als Brücke im Friedens-Dialog
Wie kann Literatur dazu beitragen, festgefahrene Konflikte neu zu betrachten und Verständigung möglich zu machen? Mit dieser Leitfrage setzt das Projekt „Westfälische Friedensgespräche“ ein außergewöhnliches Zeichen. Schriftstellerinnen und Schriftsteller aus Regionen, die in politischen oder gesellschaftlichen Auseinandersetzungen stehen, treten in einen literarischen Dialog – offen, kritisch und jenseits diplomatischer Konventionen.
Nach dem erfolgreichen Auftakt im Jahr 2023 widmete sich die zweite Ausgabe 2025 einem Thema von anhaltender Brisanz: dem Nordirlandkonflikt, in Irland selbst oft schlicht „The Troubles“ genannt. Zwischen den 1960er-Jahren und 1998 forderte dieser jahrzehntelange Konflikt tausende Opfer. Auch mehr als 25 Jahre nach dem „Karfreitagsabkommen“ bleibt die Lage im Land sensibel – insbesondere seit dem Brexit.
Das vom Westfälischen Literaturbüro in Unna initiierte Projekt brachte unter der künstlerischen Leitung des irakisch-deutschen Schriftstellers Najem Wali zwei Autorinnen aus Belfast zusammen: Jan Carson und Aimée Walsh. Sie suchten in einem intensiven Austausch nach neuen Perspektiven auf das Zusammenleben in Nordirland – und nach Wegen, den Dialog zwischen den gesellschaftlichen Lagern fortzusetzen. Mit literarischen Mitteln entwarfen sie Ideen und Visionen jenseits der politischen Sprache, um Verständigung und Empathie neu zu denken.
Auftakt in Haus Opherdicke
Den öffentlichen Auftakt der „Westfälischen Friedensgespräche 2025“ bildete ein internationales Podium im Haus Opherdicke in Holzwickede. Dort stellten Carson und Walsh erstmals die Ergebnisse ihrer gemeinsamen Arbeit vor. Die bekannten Schauspielerinnen und Schauspieler Annett Renneberg und Lamin Leroy Gibba gaben den Texten ihre deutschen Stimmen, während Najem Wali in das Projekt einführte und über den Entstehungsprozess berichtete. In einer von Kulturjournalist Günter Keil moderierten Gesprächsrunde diskutierten die Autorinnen gemeinsam mit dem Friedensforscher Dr. Craig Larkin (King’s College London) über die Herausforderungen von Verständigung in polarisierten Gesellschaften. Musikalisch begleitet wurde der Abend vom Jazz-Pop-Duo Sebastian Wiemhöfer und Patric Siewert – eine Veranstaltung, die eindrucksvoll zeigte, wie nah Literatur und Friedensarbeit beieinander liegen können.

Lesungen und Gesprächsabende in Westfalen
Begleitend zum Podium fanden in mehreren westfälischen Städten Lesungen und Diskussionsveranstaltungen statt. In Hamm und Dortmund präsentierten Jan Carson und Aimée Walsh ihre literarischen Arbeiten und berichteten von ihren Begegnungen und Recherchen in Nordirland.
Der in Kyjiw geborene Schriftsteller Dmitrij Kapitelman stellte in Telgte seinen für den Deutschen Buchpreis nominierten Roman „Russische Spezialitäten“ vor – ein Werk, das auf berührende Weise zeigt, wie politische Konflikte Familien zerreißen können. In Münster las Schauspieler Wanja Mues aus der Autobiografie „The Volunteer“ des ehemaligen IRA-Terroristen Shane Paul O’Doherty und eröffnete damit einen Abend, der sich eindringlich mit der persönlichen Seite des Terrorismus und der Möglichkeit von Versöhnung beschäftigte. Die Veranstaltung fand in Kooperation mit dem Friedensbüro der Stadt Münster statt und erinnerte zugleich an die IRA-Anschläge in Münster in den 1980er-Jahren.
In Unna-Lünern schließlich schilderte der Irland-Korrespondent Ralf Sotscheck in einer Lesung aus „Zwischen Bloody Sunday und Brexit“ seine jahrzehntelangen Erfahrungen aus Belfast. Seine Reportagen gaben einen authentischen Einblick in das Leben während und nach dem Konflikt – begleitet von der Irish-Folk-Band An Spiorad und Fotografien aus Nordirland von Derek Speirs.

Abschluss in Frankfurt am Main
Einen besonderen Höhepunkt bildete das abschließende Podium im Haus am Dom in Frankfurt am Main – nur wenige Meter von der Paulskirche entfernt und am Vorabend der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels. Dort reflektierten Carson, Walsh und Wali gemeinsam mit Vertreterinnen und Vertretern des PEN-Zentrums und des Börsenvereins über die Ergebnisse der Westfälischen Friedensgespräche 2025. Zur Begrüßung sprachen Anne-Marie Flynn, Generalkonsulin Irlands, sowie Wolfram Kuschke, Staatsminister a. D. und Vorsitzender des Westfälischen Literaturbüros. Die Veranstaltung wurde von Dr. Lisa Straßberger (Haus am Dom) moderiert und musikalisch vom „Duo Passio“ begleitet.
Förderung durch die Stiftung Westfalen-Initiative
Wir fördern das Projekt gemeinsam mit der Kunststiftung NRW und dem Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen. Damit unterstützen wir ein außergewöhnliches Beispiel für künstlerisch-literarischen Dialog, der Verständigung und gesellschaftlichen Zusammenhalt stärkt – ganz im Sinne unserer Leitidee, Westfalen als Raum des Miteinanders und der Verantwortung zu gestalten.