Literatur als Friedensstifter: Westfälische Friedensgespräche 2023

José Ovejero, Najem Wall und Jordi Puntí; Foto: Marina Miguel

Im Jubiläumsjahr 375 Jahre Westfälischer Frieden startet das Westfälische Literaturbüro in Unna e.V.unter der Schirmherrschaft von Bundesministerin Svenja Schulze und in Kooperation mit dem PEN-Zentrum Deutschland sowie dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels ein neues politisch-literarisches Veranstaltungsprojekt: die „Westfälischen Friedensgespräche“. Im Zentrum des international ausgerichteten Projekts, das auf eine Idee des deutsch-irakischen Autors Najem Wali zurückgeht, steht die Frage, wie Literatur friedensstiftend auf die Weltpolitik einwirken kann.

Literatur als politisches Instrument? Schriftsteller:innen als politische Akteure? Ein sicherlich ungewöhnlicher Ansatz, den zu erproben jedoch lohnenswert erscheint. Als Fachleute für die Macht des Wortes, zu deren Beruf es gehört, auch fremde Standpunkte einnehmen zu können und komplexe Zusammenhänge aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten und zu analysieren, erscheinen Autor:innen vielleicht sogar als Idealbesetzung, wenn es darum geht, einander zuzuhören, aufeinander einzugehen, vorherrschende Meinungen und Vorurteile zu hinterfragen. Zudem gibt es Literatur überall auf der Welt, genauso wie es leider auch überall auf der Welt ungelöste, zum Teil kriegerische Konflikte gibt.

In ihrer ersten Ausgabe im Herbst 2023 widmen sich die „Westfälischen Friedensgespräche“ zunächst dem Verfassungskonflikt zwischen Katalonien und Spanien. Die beiden renommierten Schriftsteller José Ovejero (Madrid) und Jordi Puntí (Barcelona) sind hierfür bereits im Januar in einen intensiven schriftlichen Gedankenaustausch eingetreten. In zahlreichen E-Mails haben Sie ihre eigenen Positionen geschärft, aber auch geprüft, sich die Argumente des jeweils anderen angehört und den gemeinsamen Versuch unternommen, neue Ansätze zur Befriedung des festgefahrenen, bis in die Zeit des Dreißigjährigen Kriegs zurückreichenden Konflikts zu entwickeln.

Die Ergebnisse ihrer Arbeit werden der Öffentlichkeit im September zunächst auf zwei internationalen Podien im Historischen Rathaus von Münster und im Kaisersaal des UNESCO-Weltkulturerbes Schloss Corvey vorgestellt, bei denen die bekannten TV-Schauspieler:innen Kai Schumann (u. a. ZDF „Heldt“) und ChrisTine Urspruch (u. a. ARD „Tatort“) deutsche Übersetzungen der von Ovejero und Puntí erstellten Texten lesen werden. Die beiden Autoren berichten zudem von ihrer Zusammenarbeit der letzten Monate und diskutieren die Ergebnisse mit Najem Wali und der spanischen Dichterin und Philosophin Laura Casielles.

„Ich weiß, wie schwierig und manchmal unmöglich es ist, dass Menschen, die aus zwei ganz verschiedenen Lagern oder sogar Schützengräben kommen, zusammensitzen, sich unterhalten und nach Ideen suchen, die sie einander näherbringen“, sagt Ideengeber und Projektkurator Najem Wali, der selbst in den 1980er-Jahren sein Geburtsland aufgrund des Kriegs zwischen Iran und Irak verlassen musste: „Nicht wegen der Anfeindung, die man von seinen eigenen Landsleuten erfährt, sondern vielmehr, wegen der Furcht vor sich selbst, davor, dass man sich in seinen Betrachtungen getäuscht hat, dass man mit seinen Analysen scheitert. Es ist eine Frage von Vertrauen und sich trauen. Von Geduld und Selbstvertrauen. Und es braucht den Willen zum Frieden.“

Da es manchmal auch dauert, Impulse anderer aufzunehmen und in sich wachsen zu lassen, veranstaltet das Westfälische Literaturbüro in Zusammenarbeit mit dem Haus am Dom im Oktober noch ein weiteres internationales Podium in Frankfurt/Main. Am Tag der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels kommen José Ovejero und Jordi Puntí dort noch einmal für einen gemeinsamen Rückblick und ein Fazit der „Westfälischen Friedensgespräche 2023“ zusammen und sprechen zusammen mit der Studienleiterin Dr. Lisa Straßberger auch allgemein über die Möglichkeiten von Literatur, politische Wirksamkeit zu entfalten.

Auch in Westfalen bietet das Programm der „Westfälischen Friedensgespräche 2023“ noch viele weitere hochkarätige Veranstaltungen. Dazu gehören Lesungen und Gespräche mit dem Lyriker, Essayist und Präsidenten des PEN-Zentrums Deutschland José F. A. Oliver, dem preisgekrönten Münsteraner Schriftsteller und ehemaligen Juryvorsitzenden des Ingeborg-Bachmann-Preises Burkhard Spinnen, der aus Westfalen stammenden Schriftstellerin und Generalsekretärin des internationalen PEN Regula Venske, dem Geschäftsführer der LWL-Literaturkommission Prof. Dr. Walter Gödden und Schauspieler Carsten Bender, der freien Publizistin Simone Barrientos sowie den Herausgeber:innen der Anthologie „Vom Frieden“ Katja Angenent, Matthias Engels und Alfons Huckebrink.

„Wir freuen uns, dass unser neues international-politisches Literaturprojekt in genau dem Jahr beginnt, in dem der Westfälische Frieden seinen 375. Jahrestag feiert und dass es uns außerdem gelungen ist, es an historisch so bedeutsamen Orten zu platzieren“, sagt Staatsminister a. D. Wolfram Kuschke, der 1. Vorsitzende des Westfälischen Literaturbüros.  „Wir setzen damit in Westfalen Impulse, die weit über die Region hinaus strahlen und die Menschen hoffentlich dazu anregen werden, miteinander über neue Wege zum Frieden ins Gespräch zu kommen. Wie brisant und aktuell dieses Thema ist, wird uns leider täglich vor Augen geführt.“

Offiziell eröffnet werden die „Westfälischen Friedensgespräche“ am 21.09. um 18.00 Uhr mit einem öffentlichen Pressegespräch im Historischen Rathaus von Münster.  Weitere Informationen zum Projekt und den einzelnen Veranstaltungen gibt es auf der Website des WLB. 

TERMINE „Westfälische Friedensgespräche 2023“

  1. September: Lesung „O konfuse, verschrobene Welt“ mit Carsten Bender und Walter Gödden, Nicolaihaus in Unna
  2. September: Lesung und Gespräch mit José F. A. Oliver und Burkhard Spinnen, Kunstquartier Hagen
  3. September: Internationales Podium u. a. mit José Ovejero, Jordi Puntí, Laura Casielles, Kai Schumann und ChrisTine Urspruch, Historisches Rathaus Münster
  4. September: Lesung „Die irren Fahrten des Gabriel Delacruz“ mit Jordi Puntí und Simone Barrientos, Rohrmeisterei Schwerte
  5. September: Lesung „Aufstand“ mit José Ovejero und Regula Venske, Nicolaihaus in Unna
  6. September: Internationales Podium u. a. mit José Ovejero, Jordi Puntí, Laura Casielles, Kai Schumann und ChrisTine Urspruch, Weltkulturerbe Schloss Corvey in Höxter
  7. September: Lesung „Vom Frieden“ mit Katja Angenent und Alfons Huckebrink, Stadtkirche St. Georg in Lünen
  8. Oktober: Lesung „Vom Frieden“ mit Katja Angenent und Matthias Engels, Auslandsgesellschaft.de in Dortmund
  9. Oktober: Internationales Podium u. a. mit Jordi Puntí und José Oliver, Haus am Dom Frankfurt/Main

 

IMPRESSUM

Die Westfälischen Friedensgespräche sind ein Projekt des Westfälischen Literaturbüros in Unna e.V. nach einem Konzept von Najem Wali (künstlerischer Kurator), ermöglicht durch Förderung und Mitwirkung der Kunststiftung NRW, der Stiftung Westfalen-Initiative, der LWL-Kulturstiftung und des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen. Für 2023 hat die Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Svenja Schulze die Schirmherrschaft übernommen.